Wechsel der Paradigmen

Quelle: Kommune21, Juni 2015

Die neuen EU-Vergaberichtlinien fordern ab dem Jahr 2016 die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge. Die Stadt Dülmen hat bereits vor einigen Jahren auf die E-Vergabe umgestellt. Von ihren Erfahrungen können heute auch andere Kommunen profitieren.

Aktuell fragen sich viele Auftraggeber, welche E-Vergabelösung die richtige ist. Grund dafür sind die aktuellen EU-Vergaberichtlinien und ihre nahenden Umsetzung in deutsches Recht. Der elektronischen Vergabe öffentlicher Aufträge kommt dabei besonders große Bedeutung zu, soll sie doch ab dem Jahr 2016 verpflichtend sein. Tatsächlich gibt es Auftraggeber, die ihre Prozesse schon vor Jahren auf die E-Vergabe umgestellt haben. Die zentrale Vergabestelle der Stadt Dülmen zählt dazu. Ihre Erfahrungen sind daher für Auftraggeber, die sich erst jetzt mit dem Thema beschäftigen, wertvoller denn je.

Argumente gegen das klassische Papierverfahren gab es in Dülmen schon Längerem. Im Fokus der Kritik standen vor allem die langen Postlaufzeiten intern und extern, der aufwendige und personalintensive Druck und Versand der Vergabeunterlagen sowie der immens hohe Papierverbrauch. Auch die Kommunikation und Interaktion mit Bewerbern und Bietern, beispielsweise bei Änderungen der Vergabeunterlagen, sollten einfacher und praktikabler werden. Im März 2011 war für Carsten Hövekamp, Leiter der Zentralen Vergabestelle in Dülmen, die Zeit reif für einen Paradigmenwechsel und die Umstellung auf elektronische Vergabe. Darauf folgte eine kurze, aber gründliche Marktrecherche. Die E-Vergabelandschaft wirkt zwar auf den ersten Blick unüberschaubar, faktisch sind es jedoch nur eine Handvoll Unternehmen, die sich als seriöse und kompetente Anbieter im Markt etabliert haben. Ihre Kernkompetenzen, Systeme und Services unterscheiden sich allerdings stark. In Dülmen wurde deshalb verglichen: Welche Funktionen gibt es? Wie komplex ist das System? Bietet der Anbieter Unterstützung? Kann die Lösung schnell in den Arbeitsalltag integriert werden? Wie hoch sind die Kosten? Durch die Analyse kristallisierten sich die Auswahlkriterien immer deutlicher heraus: Eine schlanke und einfach zu bedienende Lösung sollte es sein, ohne Installations- und Schulungsaufwand, sofort einsetzbar. Außerdem sollte sie für die Bieter kostenfrei sein, flexibel und ohne lange Vertragslaufzeiten, mit großer Nutzerfreundlichkeit und kompetentem kostenfreien Support für Auftraggeber und Bieter.

Hohe Priorität hatte in Dülmen auch die Frage, wer das System pflegt und wartet. Die künftige E-Vergabeplattform sollte browsergestützt arbeiten und als Software as a Service (SaaS) nutzbar sein – dem Gegenmodell zu klassischen Lizenzmodellen. Bei Letzterem stellen IT-Infrastruktur und Software oft eine komplexe und teure Investition dar. SaaS dagegen basiert auf dem Grundsatz, dass Infrastruktur und Software bei einem externen Dienstleister betrieben und vom Kunden als Service genutzt werden. Der SaaS-Anbieter übernimmt die komplette IT-Administration und zentrale Dienstleistungen wie Hosting, Betrieb und Updates. Für all dies zahlt der Auftraggeber lediglich eine geringe Pauschale pro Ausschreibung.

Nach Prüfung der Angebote fiel die Wahl auf das Elektronische Vergabeinformationssystem subreport ELViS, die Vergabeplattform, mit der im Jahre 2001 die erste elektronische Vergabe in Deutschland erfolgreich durchgeführt wurde. Die Lösung zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie von Anfang an in enger Zusammenarbeit mit Praktikern entwickelt wurde und mit ihr schnell Quoten von bis zu 100 Prozent digitaler Angebote erreicht werden. Dülmens Leiter der zentralen Vergabestelle ist heute selbst als Mitglied des subreport-Beirats E-Vergabe an der Weiterentwicklung des Systems beteiligt. Hövekamp vertritt dort die Interessen und Sichtweisen der kommunalen Auftraggeber. Nachdem subreport ELViS im vergangenen Jahr technologisch auf neue Beine gestellt wurde, steht jetzt der nächste Meilenstein an: die Erweiterung des Vergabe-Managements in modularer und damit hochflexibler Form.

Für die Einführung der Software empfiehlt Carsten Hövekamp: „Die IT und die im Hause betroffenen Fachbereiche sollten von Anfang an mitgenommen und von den Vorteilen überzeugt werden. Die liegen auf der Hand: Alle Projekte sind jetzt für jeden Mitarbeiter digital verfügbar, es gibt keine internen Postlaufwege mehr und keine unnötigen Zeitverzögerungen. Die digitale Ablage und Recherche werden deutlich erleichtert, der Suchaufwand verringert sich enorm und das Verfahren ist für alle Beteiligten jederzeit nachvollziehbar. Die Unternehmen werden durch gemeinsame Veranstaltungen und Schulungsangebote eingebunden. Auch dort gilt: Wer einmal digital abgegeben hat, macht es immer wieder.“

Nach einer Testphase im Sommer 2011 ging subreport ELViS im Oktober des gleichen Jahres in den Echtbetrieb – und hat sich seitdem bewährt. Heute bilanziert der Leiter der Vergabestelle: „Die Verfahren werden deutlich schneller abgewickelt. Bieter erfahren bei VOB-Verfahren umgehend durch Einstellung des Submissionsergebnisses, auf welchem Rang ihr Angebot steht. Niemand muss viele Kilometer fahren, um sein Angebot noch rechtzeitig abzugeben – es kann bis eine Sekunde vor Start der Submission erfolgen. Für den Bieter entstehen keine Kosten, da bei subreport ELViS die Voransicht der Vergabeunterlagen kostenfrei ist. Um nicht zu vergessen: Durch die elektronische Angebotsbearbeitung reduziert sich die Zahl formaler Fehler.“ In Dülmen ist man von der E-Vergabe sogar so überzeugt, dass man sich für sie auch auf anderer Ebene engagiert. So ist unter Mitwirkung der Dülmener Vergabestelle der KGSt-Bericht 2014 entstanden: „E-Vergabe im Sinne der europäischen Vergaberichtlinien. Bedeutung und Hilfestellungen für Kommunen.“

Johannes Rother ist Prokurist der subreport Verlag Schawe GmbH in Köln.