… denn sie wissen, was sie tun?

Quelle: [blog] government2020.de – Das Staatsmodernisierungsblog des Behörden Spiegel

Anmerkungen zu den EU-Reformvorschlägen zur Auftragsvergabe

In einem Punkt wenigstens sind sich alle einig: Vereinfachung und Flexibilisierung, das müssen die Hauptziele jeder wirklichen Vergaberechtsreform sein. Dokumentiert wird diese Einigkeit unter anderem in den 623 Antworten auf die EU-Konsultation. Und an diesem Anspruch sind die jetzt vorgelegten Dokumente zu messen.

Allein die Menge des Materials allerdings stimmt skeptisch. Laut Behörden Spiegel liegt der Seitenumfang der neuen Vergaberichtlinien um 119 % über dem noch gültigen Vorgänger. Die Neuversionen der klassischen und der Sektorenrichtlinie sowie der gänzlich neuen Richtlinie für Dienstleistungskonzessionen werden von rund 50 % mehr Erwägungsgründen als bisher und 115 % mehr Anhängen begleitet. Unsere Kunden, die Vergabepraktiker vor Ort also, bestätigen den ersten Eindruck: Die Richtlinien werden im Alltag wesentlich mehr Arbeit mit sich bringen, nicht weniger.

Umwelt vs. Transparenz

Innovationsförderung, Umweltschutz und soziale Aspekte im Vergaberecht: Das sind die weiteren Ziele der Kommission. Zu Recht beurteilen Unternehmen diesen Ansatz kritisch, anders als Organisationen der Zivilgesellschaft. Auch ich bin der Überzeugung, dass das Vergaberecht der falsche Ort für politische und soziale Ziele ist – zumal diese Aspekte in der Vergabepraxis letztlich kaum nachvollziehbar sind. Mit ihrer Verankerung im Vergaberecht verhindert man letztlich genau das, was eigentlich doch alle wollen: Transparenz, Wirtschaftlichkeit und Gleichbehandlung.

Vielleicht finden die EU-Reformvorschläge in den Mitgliedsstaaten und beim Europaparlament ja Zustimmung. Sollte dies so kommen, plädiere ich dafür, gesellschaftlichen Nutzen einerseits und konkrete Vor- bzw. Nachteile für die jeweils betroffenen öffentlichen Haushalte getrennt auszuweisen. So bliebe zumindest ein Mindestmaß an Transparenz und Rechenschaft gewahrt.

Mehr Zentralisierung

Unter dem Stichwort „Governance“ regt die Kommission an, in jedem Mitgliedstaat eine einzige nationale Behörde zu bestellen, die für die Beaufsichtigung, Ausführung und Kontrolle der öffentlichen Aufträge zuständig ist. Das Ziel: bessere Anwendung der Regeln vor Ort.

Ich zweifle nicht nur am Sinn einer solchen und anderen Behörden wie den ebenfalls von der EU geplanten Wissenszentren. Ich befürchte auch, dass sie Zentralisierungstendenzen Vorschub leisten. Außerdem widersprechen derartige Institutionen dem deutschen Föderalismus und dem Selbstbestimmungsrecht der Kommunen.

Mehr eVergabe

Vehement unterstütze ich hingegen das klare Bekenntnis der EU zu einer Ausweitung der elektronischen Auftragsvergabe. Der Richtlinienvorschlag sieht eine Verpflichtung zur Übermittlung von Bekanntmachungen in elektronischer Form, zur elektronischen Verfügbarmachung der Auftragsunterlagen sowie zur Umstellung auf eine ausschließliche elektronische Kommunikation, insbesondere auf eine elektronische Einreichung (e-Submission), bei sämtlichen Vergabeverfahren innerhalb eines Übergangszeitraums von zwei Jahren vor.

Ein wenig erinnert das natürlich an das verfehlte Ziel der Kommission, im Jahre 2010 solle die eVergabe in allen Fällen möglich sein und in wenigstens der Hälfte der Fälle auch tatsächlich durchgeführt werden. Vielleicht hilft der politische Druck ja diesmal mehr. Ob es allerdings sinnvoll ist, auch an dieser Stelle immer wieder Steuergelder in neue Studien zu investieren, da bin ich skeptisch. Erst am 07.02.2012 hat die Generaldirektion Binnenmarkt einen Auftrag in Höhe von über TEUR 600 zur „Messung und Benchmarking im elektronischen Beschaffungswesen“ vergeben.

Quo vadis, Vergaberecht?

Wenn schon ein neues Vergabesystem, dann – wie eigentlich angekündigt – ein wirklich schlankes und entschlacktes. Die vorliegenden Entwürfe sind meines Erachtens das Gegenteil. Sie sind ein noch umfangreicheres und komplexeres System, in dem die wenigen Vereinfachungen schlussendlich kaum Gewicht haben. Es wäre bedauerlich, wenn hier einmal mehr eine große Chance vertan werden würde.

Autor: Edda Peters – subreport Verlag Schawe GmbH Köln