Drum prüfe wer sich ewig bindet

Kriterienkatalog elektronische Vergabe

Viele Auftraggeber stehen vor der Aufgabe, eine geeignete eVergabelösung für ihre Vergabestelle zu finden. Es vergeht kaum ein Tag ohne entsprechende Markterkundung, ohne Teilnahmewettbewerb und beschränkte oder öffentliche Ausschreibung. Das ist gut, zeigt es doch, dass Bewegung in die Landschaft gekommen ist. Gleichzeitig wird oft deutlich, wie schwer man sich vor Ort mit der Wahl der Auswahlkriterien tut. Excel-Listen mit 300 und mehr Fragen sind nicht selten eher Ausdruck von Unsicherheit als profunder Detailkenntnis. Die folgenden Aspekte möchten Orientierung auf dem Weg zur richtigen Entscheidung geben.

Hat der Anbieter Bezug zur Praxis?
Viele Hersteller sind Softwarehäuser, manche haben als Informationsdienstleister eine andere Tradition und Prägung und verfügen über oft jahrzehntelange praktische Erfahrung im täglichen Austausch mit öffentlichen Auftraggebern und ihren Lieferanten. Praxisnähe ist enorm wichtig: Erkundigen Sie sich, ob und wie Praktiker bei der Entwicklung der Lösung beteiligt waren – beispielsweise als Beiräte oder in Form von Workshops.

Welche Funktionen soll die Lösung beinhalten?
Es gibt schlanke Systeme, mit denen Sie eine eVergabe vergaberechtskonform und effizient durchführen können. Mit mächtigen Vergabemanagementsystemen (VMS) können Sie auch die Vergabeunterlagen erstellen oder Angebote prüfen und werten. Ihre Entscheidung für eine der Varianten hat Konsequenzen: im Hinblick auf die Anschaffungskosten oder die Zeitspanne, bis Sie mit der eVergabe starten können. Überlegen Sie gut, wie viel eVergabe Sie wirklich brauchen. Die reibungslose Nutzung der Lösung darf nie durch ihre Komplexität gefährdet sein.

Wer pflegt und wartet die Lösung?
Es gibt Systeme, die lokal installiert werden und internetbasierte Lösungen, die einfach über den Browser als Software as a Service zur Verfügung gestellt werden. Im ersten Fall betreiben Sie das System selbst. Dadurch entstehen häufig höhere Kosten und Aufwände für Pflege und Anpassung. Im zweiten Fall liegen der Betrieb der Lösung, die Server, geeignete Ausfallsicherheitsmechanismen, Backups, Updates, Virenschutz und Firewalls vollständig in der Verantwortung und Zuständigkeit des Anbieters. Prüfen Sie die Angebote darauf, ob sie versteckte Folgekosten für Wartung und Updates enthalten oder ob Ihre Lieferanten Abonnements abschließen müssen.

Wie hoch sind die technischen Voraussetzungen der Lösung?
Internetbasierte eVergabelösungen setzen im Idealfall nichts als einen internetfähigen Standard-PC und eine digitale Signatur voraus. Neben dem Support ist dies sicher ein Grund, warum mit manchen dieser Systeme sehr schnell sehr hohe Quoten digitaler Angebote erreicht werden. Erkundigen Sie sich beim Hersteller, welche Quoten digitaler Angebote seine Kunden haben. Bei der Angebotsabgabe liegt das größte Nutzenpotenzial der eVergabe.

Kann die Lösung schnell in den Arbeitsalltag integriert werden?
Systemverständlichkeit und -bedienbarkeit sind elementare Kriterien für die Akzeptanz einer eVergabe-Lösung. Viele Systeme sind zwar leistungsfähig, müssen aber intensiv geschult werden. Es gibt auch Lösungen, die so konzipiert sind, dass sie sich praktisch selbst erklären und auch von Ungeübten intuitiv bedienbar sind. Hier gilt: Wenn Sie sich heute für eine solche Lösung entscheiden, können Sie die eVergabe bereits morgen nutzen. Manche Hersteller bieten ihren Kunden die Nutzung eines Demosystems an. Nutzen Sie die Chance und spielen Sie einfach mehrere eVergaben durch. Sie selber können am besten entscheiden, ob die Lösung einfach zu bedienen ist.

Bietet der Hersteller Ihnen und Ihren Bietern professionelle Unterstützung?
Support und Service sind Themen, die Sie bei Ihrer Entscheidung gar nicht hoch genug einschätzen können. Während der Arbeit mit einer Lösung tauchen immer wieder Fragen auf, die – oft dringend – beantwortet werden müssen. Persönliche Ansprechpartner und kompetente Beratung sind daher von größter Bedeutung. Erkundigen Sie sich, wie viele Mitarbeiter der Hersteller im Support beschäftigt und ob diese auch über vergaberechtliche Kenntnisse verfügen. Und: Bitten Sie um Referenzen, die die Zufriedenheit der Bewerber/Bieter mit Support und Service des Herstellers dokumentieren.

Passen die Geschäftsmodelle des Herstellers zu Ihnen?
Es gibt Hersteller, die ihre eVergabelösungen über klassische Lizenzmodelle zur Verfügung stellen – meist dann, wenn es große und komplexe Systeme sind. Alternativ zu diesen oft teuren Modellen bieten einige Hersteller Preismodelle an, die sich an der tatsächlichen Nutzung der eVergabelösung durch Sie bzw. Ihre Lieferanten orientieren. Insbesondere dann, wenn keine langfristigen Bindungen eingegangen werden müssen, liegen die Vorteile auf der Hand: keinerlei Investitionsrisiko, transparente IT-Kosten. Erkundigen Sie sich, ob der Hersteller Untersuchungen über die Einsparpotenziale seiner Lösung vorlegen kann und stellen Sie diese Ergebnisse seinem Angebot gegenüber.

Die Erfahrung zeigt: Sind diese Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet, haben Sie Ihre eVergabe-Lösung in vielen Fällen schon (fast) gefunden.

Der Autor Johannes Rother ist Prokurist der subreport Verlag Schawe GmbH, Köln.