Von der Eignungsprüfung bis zur Beschaffungsorganisation

Quelle: Behörden Spiegel / Oktober 2017

Umgang mit Fehlern nur ein Aspekt beim sechsten Kölner Vergabetag

(BS/Jörn Fieseler) Ob die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) nun „UffgO“ oder „UVaugeO“ ausgespreochen wird, ist Geschmackssache. Und wie es zwei Lager bei der Aussprache der Abkürzung gibt, so gibt es auch zwei Meinungen zur Bilanz der Vergaberechtsmodernisierung. Letztlich scheint eines hingegen klar: Die Zahl der 30.000 Vergabestellen in der Bundesrepublik wird kleiner werden, weil mehr zentrale Vergabestellen benötigt werden. „Wir haben uns bei der Einführung der UVgO etwas gedacht“, sagte Hans-Peter Müller vom Vergaberechtsreferat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), der vor über 40 Jahren seine erste freihändige Vergabe ohne Teilnahmewettbewerb durchführte und sich für seine Ehefrau entschied. So sollte mehr Gleichklang und Harmonie zwischen Ober- und Unterschwellenbereich (Wettbewerbs- und Haushaltsrecht) erreichte werden. Dieser Prozess ist für den Bund inzwischen abgeschlossen. Seit dem 2. September 2017 sei die UVgO anzuwenden, sagte Müller vor der Bundestagswahl auf dem sechsten Kölner Vergabetag der subreport Verlag Schawe GmbH. Die UVgO ist dem Haushaltsrecht zugeordnet, unterstrich der langjährige Referatsmitarbeiter. Komme sie nicht zur Anwendung, gelte § 55 Bundeshaushaltsordnung (BHO). Deshalb sei stets individuell zu prüfen, ob aufgrund der Natur des Geschäfts eine Ausnahme gerechtfertigt sei, riet Müller den Anwendern. Wer darüber hinaus die UVgO anzuwenden hat, bleibt den Ländern vorbehalten. Nicht angewendet werden muss sie auf Konzessionen und von Sektorenauftraggebern. Allerdings hätten die Länder hier eigene Gestaltungsmöglichkeiten.

Sinnvoll, aber…

„Die EU-Vergabereform und die neue UVgO stellen in Hinblick auf eine Reihe inhaltlicher Regelungen sinnvolle Reformschritte und Erleichterungen dar“, bewertete Ulf Christiani, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Heuking Kühn Luer Wojtek, den gesamten Änderungsprozess gegenüber den mehr als 200 Teilnehmern. Aber: „Insbesondere das Unterschwellenvergaberecht ist in seiner Gesamtheit nach wie vor zu unübersichtlich für den Anwender.“ So habe einerseits das neue Regelwerk 34 Paragrafen mehr als die frühere VOL/A und beinahe 30 Verweise auf das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die Vergabeverordnung (VgV). Andererseits gebe es noch die Parallelität zwischen UVgO und VOL/A sowie weiterhin die VOB/A als eigenständiges Regelwerk für den Baubereich.

„Das meiste wieder abschaffen“

Eine weitere Vereinheitlichung und Vereinfachung wäre daher wünschenswert, so der Rechtsanwalt. Stattdessen sieht Christiani anhand des nicht eindeutig definierten Anwendungsbereichs die Gefahr einer weiteren Zersplitterung. Prof. Dr. Ralf Leinemann, Seniorpartner der gleichnamigen Berliner Kanzlei, wurde noch deutlicher: „Die meisten Änderungen und Erneuerungen sollten schnellstmöglich wieder abgeschafft werden.“ Er thematisierte die Eignungsprüfung. Nach wie vor müsse strikt zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien getrennt werden. Einzig die Teamqualität könne etwa bei Beratungsleistungen nochmal als Zuschlagskriterium in Betracht kommen. Außerdem müssten die Kriterien auftragsbezogen sein. „Tariftreueerklärungen und die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns sind keine Eignungskriterien“, unterstrich Leinemann mit Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf. Außerdem würden viel zu viele Nachweise und Eignungserklärungen abgefordert. Entscheidend seien die Referenzen, um darauf aufbauend eine Prognose abzugeben, ob der Bieter den Auftrag zufriedenstellend ausführen könne. Ob durch die komplexen Regularien die Fehleranfälligkeit ansteigt, ist noch offen. Sie gänzlich zu vermeiden, dagegen wendet sich Dr. Henning Beck. „Fehler machen ist nützlich“, so der Neurobiologe von der Universität Frankfurt am Main. Schließlich würde hinter solchen Schwächen, wie Flüchtigkeitsfehlern, (bspw. ein verschossener Elfmeter), die wahre Denkpower des menschlichen Gehirns sitzen. Der Mensch lerne nicht nur, er verstehe, so Beck. Nur so könne er kreativ sein. Aber bei der öffentlichen Auftragsvergabe stehe die Fehlervermeidung im Fokus. Heute werde kein Angebot mehr abgegeben, ohne dass ein Rechtsanwalt dieses vorher geprüft habe, sagte ein Teilnehmer. Um mehr Routine und eine bessere Qualität bei Ausschreibungen zu erhalten, sprach sich Kerstin Hannapel von der Vergabeberatungsstelle Klaeser GmbH für die Einrichtung zentraler Vergabestellen aus. Nicht nur wegen der unausweichlichen Anwendung der eVergabe. Durch eine zentrale Beschaffungsorganisation würden die Rechtssicherheit des Verfahrens gewährleistet, ein Baustein zur Korruptionsprävention gelegt, der Wettbewerb gestärkt, die Qualität gesteigert und gesichert, erklärte die frühere langjährige Leiterin der zentralen Vergabestelle der Stadt Montabaur. Schließlich sei das Vergaberecht mehr als eine lästige Fessel bei der Beschaffung. Allerdings arbeite einer Vergabestelle erst ab drei bis vier Stellen effizient. Diese würden sich aber bei einer guten Organisation selbst finanzieren, da die Einspareffekte entsprechend hoch seien. Hannapel ist sich sicher, dass diese Entwicklung in den nächsten Jahren voranschreiten und sich dadurch die Zahl der Vergabestellen reduzieren wird. Dagegen gab es keine Widerrede.

Erfolgreiche Plattform

„Wir freuen uns, dass wir mit dem Kölner Vergabetag auch in diesem Jahr eine erfolgreiche Plattform für Austausch und Kommunikation zwischen Experten und Praktikern aus Vergabestellen und Unternehmen bieten konnten“, zieht subreport-Geschäftsführerin Christiane Schäffer ihr Fazit.