Einfacher und anwendungsfreundlicher?

Quelle: Behörden Spiegel

[19.10.2016] – Heiße Eisen und heiße Diskussionen über das neue Vergaberecht

(BS/Jörn Fieseler) Komplexität und ständige Veränderung des Vergaberechts erfordern einen regelmäßigen Austausch. Im Vergaberecht zwischen öffentlichen Auftraggebern, Bietern und Rechtsexperten. Insbesondere durch die diesjährige Novellierung des Oberschwellenrechts und der anstehenden Neufassung der Unterschwellenvergabe. Vieles ist, entsprechend der Zielsetzung des Gesetzgebers, einfacher und flexibler geworden, doch auf den vom subreport veranstalteten 5. Kölner Vergabetag wurde deutlich: Durch den Erlass von neuen Normen sind – je nach Perspektive der Fachleute – nicht alle Probleme vollständig gelöst werden. Auch nicht bei der E-Vergabe.
“In vielerlei Hinsicht ist das Vergaberecht effizienter und flexibler geworden”, betonte Andreas Rüger aus dem Referat Öffentliche Aufträge, Vergabeprüfstelle, Immobilienwirtschaft im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Nur die Frage der Einfachheit werde vielfach kritisch gesehen. Allerdings habe es bei vielen Detailfragen gar keine alternativen Regelungsmöglichkeiten gegeben, da sie durch die EU-Richtlinien vorgegeben wurden, so Rüger gegenüber den mehr als 200 Teilnehmern. Zugleich prognostizierte der BMWi-Mitarbeiter: “Die Zeit der reinen Preisvergaben ist teilweise vorbei, Qualität und Innovationen werden als strategische Ziele immer wichtiger.”
Eine Einschätzung, die Benedikt Lowinski nicht teilt. “Die Gedanken, die man sich im Übergeordneten macht, kann man unten gar nicht durchhalten”, so der kaufmännische Angestellte des Stadtmobiliarherstellers Hahne & Lückel GmbH. Gerade bei standardisierten Produkten, wie zum Beispiel Mülleimern, sei die Qualität ein Kriterium, das oftmals fehle, etwa bei der Vorgabe des Materials. Zudem handle es sich häufig um unterschwellige Vergaben, wo zahlreiche Ausschreibungsmöglichkeiten nicht genutzt würden. “Entscheidend ist nach wie vor der günstigste Preis.”

Möglichkeiten und Stolpersteine

Unter den Stichworten Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten unterzog Dr. Oliver Esch, Leiter der Praxisgruppe Vergaberecht bei der Kanzlei Osborne Clarke in Köln, das neue Recht einer kritischen Betrachtung. Sein Fazit: “Die Wahl zwischen offenen und nicht-offenen Verfahren bringt keine wirkliche Flexibilität.” Es gebe keinen zeitlichen Vorteil und die Wahlfreiheit widerspreche bei echtem Teilnahmewettbewerb dem Ziel der Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Anders die erweiterte Zulässigkeit von Verhandlungsverfahren oder die neu ermöglichte Innovationspartnerschaft. Allerdings gelte es hier, die jeweiligen Vo­raussetzungen und Einschränkungen zu beachten.
Demgegenüber sieht Dr. Wolfgang Malms von der Kommunal Agentur NRW einige Stolpersteine, vor allem in den Details. Dies fange schon bei der Bereitstellung von Unterlagen und dem anonymisierten Download an und setze sich über die Kommunikation mit den Bietern fort. Letztere gehört nach Meinung aller nicht zu dem Teil, der allgemein veröffentlicht werden muss. Dennoch: “Der anonyme Zugriff wird unterschätzt”, betonte Loritta Meyer, Leiterin des Teams Vergabe bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Positiv aus Sicht einer Vergabestelle sei daran, dass öffentliche Auftraggeber leichter ähnliche oder gleiche Ausschreibungsunterlagen finden könnten.
Ein weiterer Stolperstein sei das Ausfüllen von EU-Formularen. “Reicht es, das Feld “Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen” anzukreuzen oder muss trotzdem eine Liste der geforderten Nachweise wie bisher beigefügt werden?”, fragte Malms. “Das Vergaberecht und seine Umsetzung haben noch “Macken”, es bietet aber auch Chancen. Man muss bereit sein, sie zu nutzen”, zog der gelernte Chemiker sein Fazit.

Zukunft E-Vergabe

Unterstützung erhielt er von Kölns Stadtdirektor Guido Kahlen, der ebenso wie Malms die neuen Regelungen aus kommunaler Sicht bewertete. Vieles sei zu begrüßen, insbesondere die E-Vergabe. Deren erstes erfolgreiches Verfahren habe übrigens die Stadt Mainz mit der E-Vergabe-Plattform subreport ELViS im Oktober 2001 durchgeführt. Aber: “Die Verpflichtung zur elektronischen Angebotsabgabe führte nicht automatisch zu elektronischen Angeboten”, mahnt Kahlen. Dafür müsse auch die notwendige Infrastruktur – der Breitbandausbau – vorhanden sein. Trotz allem gehöre die Zukunft der elektronischen Vergabe. Dagegen sei der Papierkram das Letzte und er und seine Mitarbeiter froh, wenn das letzte Angebot in analoger Form eingehe. Und auch Meyer bekräftigt: “Die mancherorts bestehende Angst vor der E-Vergabe ist völlig unberechtigt, auch unterhalb der Schwelle.”
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Denn die Vielzahl von Plattformanbietern und die unterschiedlichen Veröffentlichungsmöglichkeiten erschweren die Suche nach Ausschreibungen, wie Lowinski betonte. Hier soll mit der XVergabe Abhilfe geschaffen werden. Der vom IT-Planungsrat verabschiedete Standard soll einen einheitlichen, plattformübergreifenden Bieterzugang ermöglichen, wie Frank Schmitz, Referatsleiter für IT-gestütztes Beschaffungswesen und Projektleiter E-Beschaffung im Beschaffungsamt (BeschA) des Bundesministeriums des Innern (BMI), erläuterte. Bei den Plattformanbietern sollten daher noch in diesem Jahr die ersten Konformitätsprüfungen durchgeführt werden, damit der 2015 beschlossene Standard im kommenden Jahr in der Breite eingeführt werden könne.

Dialogorientierte Plattform

Bis dahin wird es in der praktischen Umsetzung und bei der Rechtsgestaltung für die Unterschwellenverordnung noch viel zu diskutieren geben. “Wir sind stolz, dass wir auch in diesem Jahr eine erfolgreiche Plattform für das oft viel zu kurz kommende Gespräch zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen bieten konnten”, zog Edda Peters, subreport-Geschäftsführerin und Initiatorin des Vergabetages, am Ende ihre Bilanz. Überhaupt sei der kontrovers-konstruktive Dialog zwischen Experten und Praktikern mehr und mehr eines der wichtigsten Alleinstellungsmerkmale des Kölner Vergabetages.

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Diskutierten mit den Teilnehmern des 5. Kölner Vergabetages: Benedikt Lowinski, Andreas Rüger, Dr. Wolfgang Malms, Dr. Oliver Esch, Frank Schmitz, Loritta Meyer und Moderator Jörn Fieseler (v. l.). Foto: BS/subreport